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Jahreshauptversammlung der besonderen Art beim TSV

Erstellt von Kurt Lautensack | | Gleichamberg

Fahnenehrung einer über Hundertjährigen, Würdigung eines über 25 Jahre tätigen Vereinsvorsitzenden und Generationenwechsel im Vereinsvorstand des TSV 08 Gleichamberg

Gleichamberg – Vereinsfahnen sind neben Urkunden, Pokale und Chroniken „Schatztruhen“ der Vereinsgeschichte. Eine solche Vereinsfahne wie sie der TSV 08 aufzuweisen hat, hat Symbolkraft, ist Zeitzeuge der sportlichen Entwicklung und darf ruhig als der Stolz des Vereins betrachtet werden. Nun mag man über die Notwendigkeit einer Vereinsfahne unterschiedlicher Auffassung sein, möglicherweise auch wegen der finanziellen Situation eines Vereins, doch ihre Symbolkraft hat sie nicht verloren. Wie sonst war und ist es gerade auch noch heute eine ganz besondere Ehre, bei Großereignissen (Weltmeisterschaften, Olympiaden) als Fahnenträger auserwählt zu werden.

Eine solche Ehrung wurde am vergangenen Freitag im Sportlerheim des TSV 08 Gleichamberg zwar nicht ihren Trägern, sondern der Fahne selbst zuteil sowie einer Familie von drei Generationen, die diese Fahne über eine lange Zeit hinweg aufbewahrt und damit gerettet hatten. Eine Fahne ihres Alters dürfte unter Sportvereinen sicher Seltenheitswert besitzen, während es bei der Feuerwehr vielleicht noch öfters eine solche Rarität in manchen Orten gibt. Das Fest der Fahnenweihe des damaligen Gleichamberger Turnvereins fand am 18.6.1922 in Gleichamberg unter Beteiligung einer großen Turnerschaft von 140 Turnern statt. „Gegen 2 Uhr (14.00)“, schrieb er weiter, „ bewegte sich der Festzug mit 15 Fahnen unter Vorantritt der Gleichamberger Musikkapelle in Richtung Festplatz “.

Zur Fahne gehört ein breiter und langer Fahnenwimpel auf dem das genaue Datum vermerkt ist. Noch an der Fahne vorhandene Ehrenschleifen zeugen vor und nach der Fahnenweihe von der Teilnahme an 16 großartigen Ereignissen wie Bezirksturnfesten, Fahnenweihen oder Jubiläen. Unter anderem am 16. Juni 1912 an der Fahnenweihe „Germania“ Hellingen, am 8. Mai 1921 beim TSV in Gompertshausen (gleiches Gründungsjahr wie Gleichamberg), außerdem in Römhild, Mendhausen, Irmelshausen oder Trappstadt. Die Fahne war dabei bei Bezirksturnfesten z.B. 1923 in Gellershausen, 1925 in Gleicherwiesen, 1926 in Linden oder 1928 beim TV-Jubiläum Streufdorf, um nur wenige zu nennen. Die letzte Ehrenschleife stammt vom Bezirksturnfest im Juni 1931 in Gompertshausen. Mit dem Ende der Weimarer Republik begann eine unheilvolle Zeit, die viele Aktivitäten, nicht nur in sportlicher Hinsicht, zum Erliegen brachte.

Damit kamen die Familien Schüler (Gasthaus zum Goldenen Hirsch) ins Spiel, was das Überleben der Fahne betrifft. Oskar Schüler und seine Frau Meta versteckten die Fahne eingerollt und gut geschützt in einem Zwischenboden auf dem Heuboden ihrer Scheune, wo sie die schlimme Zeit überstand. Doch nach der Spaltung Deutschlands waren Fahnen dieser Art wiederum verboten. Nun waren es der Sohn Ewald und seine Ehefrau Elsbeth, die sie, wohlwissend um die Gefahr, in ihrem Versteck beließen. Erst nach der Wende nahm sie einen Platz in einem gesonderten Fahnenschrank ein. Nun war es der Enkel Steffen Schüler, Fußballer mit Leib und Seele, und seine Frau Antje, die die Fahne gerne in die Verantwortung des Vereins übergaben. Doch der Zahn der Zeit hatte auch an der Fahne seine Spuren hinterlassen.

Eine Restaurierung wurde in Erwägung gezogen. TSV-Vorsitzender Arno Schmidt und zunächst Ewald Schüler, später dann Sohn Steffen, machten sich auf den Weg, um den Zustand der Fahne begutachten zu lassen. Eine Restaurierung erwies sich als äußerst schwierig, was in den Gesprächen mit der Thüringer Fahnenfabrik“ in Coburg gezeigt habe, so Arno Schmidt. Die wunderschönen Stickereien dieser doppelseitigen Fahne hätten der Restaurierung nicht standgehalten und wäre obendrein ein finanzielles Unterfangen gewesen. So entschloss man sich in Absprache mit der Firma zu einer Beschichtung, die die Fahne nicht weiter oder nur sehr langsam altern lässt. Eine öffentliche Benutzung war ausgeschlossen, also sollte die Vereinsfahne ihren gebührenden Platz erhalten. „Raik Heusinger und Frank Florschütz haben sich besonders engagiert“, so Schmidt, „um sie in einem Schaukasten mit dazugehörigen Wimpeln, Schleifen und kleinen Infotafeln zur Vereinsgeschichte unterzubringen“. Eigentlich sollte diese Fahnenehrung zum 100-jährigen 2022 erfolgen, doch Corona und andere Gründe zögerten diese Ehrung hinaus. Doch am Freitag war es soweit, das vor Beginn der Jahreshauptversammlung darauf angestoßen werden konnte, dass ihr ein solcher gebührender Platz eingeräumt wurde. Für Arno Schmidt, der die Geschichte kurz Revue passieren ließ, war es außerdem ein ganz persönlicher Abschluss seiner 25-jährigen Amtszeit als Vereinsvorsitzender des TSV 08.

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