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Römhilder Zeitvertreibs-Kalender

Erstellt von Kurt Lautensack | | Römhild

Worüber ein Zeitvertreibskalender vor 130 Jahren alles berichtete, führt beim Lesen zum Schmunzeln, macht aber auch nachdenklich.

Römhild – Es gibt manchmal so (Regen)Tage, da kommt einem plötzlich in den Sinn, seine im Laufe der Jahre „gesammelten Werke“, Aufzeichnungen aller Art, schriftliche(auch persönliche) Unterlagen, veraltete Bücher und anderes mehr, wieder einmal zu sichten, zu ordnen oder gar der Papiertonne zuzuführen. Dabei wird manches längst Vergessene wieder in Erinnerung gerufen oder mancher „Lesestoff“ wieder interessant gefunden. Bei dieser Gelegenheit fiel mir wieder ein altes Heft in die Hände mit dem vielsagenden Titel „Römhilder wohlausgerechneter, verbesserter und neuer und alter Zeitvertreibs-Kalender auf das Jahr nach Christi Geburt 1893“. Gedruckt bei Gadow & Sohn in Hildburghausen.

Nun geht es in dem Zeitvertreibs-Kalender mit seinen 48 Seiten, nicht wie man vielleicht vermutet, um einen Kalender, der auf Vergnügungen oder anderen Zeitvertreiben hinweist, sondern um einen Jahreskalender mit wichtigen Informationen. So enthält er zwölf Monatskalender mit Vorhersage (nach dem 100-jährigen) zur Witterung in den einzelnen Mondvierteln, Hinweisen für den Bauer, zu Sonnen- und Mondauf- und untergang oder zu Sternzeichen. Einen breiten Raum jeweils zum Monat nehmen die Termine der „Messen und Märkte“ ein. Unzählige Orte aus ganz Deutschland sind darin zu finden, ob in Römhild, Hildburghausen oder Königshofen, Meiningen, Salzungen oder Fladungen oder in Fritzlar, Weimar, Leipzig oder Wunsiedel, um nur einige zu nennen. Dazu gehören auch viele Orte unseres Kreises von Poppenhausen über Gleicherwiesen bis Schleusingen oder Themar.

Die Märkte waren so vielseitig, wie man es sich kaum vorstellen kann. Da gab es den Krammarkt und den Zwiebelmarkt, den Vieh-, Ross-, Schweine-, Schaf-, Geflügel oder Taubenmarkt, den Pflaumen-, Gemüse- oder Ölmarkt oder den Flachs- und Wollmarkt usw. Ein Extra-Verzeichnis verweist auf die monatlichen Märkte in Römhild, wobei der Krammarkt alljährlich am letzten Donnerstag im Januar schließlich bis heute zum berühmten „Kalten Markt“ wurde. Mit ihm zusammen gab es stets den Taubenmarkt, der nur im Januar aufgeführt ist. Und der bekannteste Zwiebelmarkt findet wohl bis heute in Weimar statt. Natürlich gab es damals auch schon Werbung. So wurde für Maria Zeller- Gesundheitstropfen geworben, für Mittel gegen Bandwurm, für Bettfedern, für die Buchbinderei Friedrich Schwerdt in Römhild oder für das Abonnieren der „Täglichen Nachrichten“.,

Frühere Verordnungen waren noch viel schlimmer

Doch der Kalender enthält natürlich auch andere Informationen oder Geschichten. So heißt es in einem Beitrag „Sonntagsruhe in der alten Zeit“. Die Verordnung kurz vor der Jahrhundertwende schien wohl vielen Bürgern zu streng, obwohl kein Vergleich zu Verordnungen die mehr als 100 Jahre zurücklagen. So steht geschrieben: „Zum Trost für alle diejenigen, welche sich durch die in ganz Deutschland in Kraft getretenen Verordnungen bezüglich der Sonntagsruhe beschwert fühlen, geben wir nachfolgend eine kleine Auslese aus den Verordnungen vom ersten preußischen König vom 28. Oktober 1711 über die Sonntagsheiligung bekannt“. Er habe verfügt, „dass alle Gewerbe und Hantierungen eingestellt, Krambuden geschlossen und keine Märkte gehalten werden“.

Besonders hart habe es diejenigen getroffen die „Schmausereien und Lustgelage“ abgehalten haben. Dazu werden Erlasse von König Friedrich I von Preußen zitiert. Da heißt es u. a.: „Fürnehmlich ist es unser….Wille, dass auf dem Sonntag keine Banquette oder Gastereien des Mittags, auch des Abends keine weitläufige Gast-Mähle und Lustbarkeiten gehalten, weniger Hochzeiten an selbigen angestellet, führnehmlich aber in den Wein-Bier-Zunft-Häusern….vor 5 Uhren verschenket oder verkauft werden solle“. Auch durften am Sonntag keine „Lust- und Spazierfahrten“ durchgeführt werden, zu dem die Tore von früh am Morgen bis abends 5 Uhr geschlossen wurden und nur Reisende eintreten durften. Alle Glücksspiele wurden verboten, lediglich „Leibes-Bewegungen“ waren erlaubt. Dabei sollte eine „verdächtige Gesellschaft von liederlichen Frauenvolk und anderen Personen vermeiden werden“. Dies alles sei streng überwacht bzw. Verstöße bestraft worden.

Im Kalender wurde auch beschrieben, wie ein ganzer Ochse am Spieß gebraten wird und die Frage beantwortet, was ein Gastwirt ist. Da heißt es: „Der Gastwirt ist ein Mann, der es Niemanden recht machen kann“. Stehe er sehr früh auf, obwohl er spät ins Bett kam, so hieß es, dass er seinem Körper die nötige Ruhe raube, stehe er spät auf, dann sei er ein Faulenzer. Halte er weibliche Bedienung, die hässlich sein, so mokierten sich die Gäste, stelle er hübsche ein, so mokiere sich seine Frau. Mache er zu zeitig Feierabend, so zankten die Männer, lasse er seine Gäste sitzen, so zanken deren Frauen. So füllen Gegensätze eine ganze Seite, wobei der Schreiber zu dem Schluss kam, dass es der Gastwirt machen kann wie er will, es ist falsch. Ist es heute anders als vor 130 Jahren?

Und noch eine andere sache aus dem Zeitvertreibskalender

Aber so abwegig es auch klingen mag, erinnert ein Beitrag über „Die Furcht vor der Cholera“ an die vergangene Coronazeit. Man könnte meinen, die Regierung hat die Regeln von damals übernommen. Im Beitrag eines Dr. Blasius , Berlin, heißt es u.a.: „Wo man auch zur Cholerazeit hinkam, wo man hinhörte, da wurde fast über nichts gesprochen, als über die Cholera! Und wie es in der menschlichen Natur begründet ist, Jeder suchte den Anderen im Graulichmachen zu übertrumpfen…. Es ist die Aufgabe eines jeden Sachverständigen – und nur solche sollten darüber schreiben dürfen – die Sachen rein objektiv und sachlich erschöpfend klarzulegen in einer Sprache, welche für Jeden verständlich ist“.

So sei damals auf Hygienemaßnahmen verwiesen wurden, dass z. B. niemand ein „fremdes Kloset“ benutze, auch nicht der Besuch von Angehörigen. Es wurde auf äußerste Reinlichkeit verwiesen beim Gebrauch von Wasser oder beim Kontakt durch andere Menschen. Es sei aber auch die „heiligste Pflicht eines jeden Gebildeten“ zur Beruhigung der Gemüter beizutragen. Es sei schon im gewöhnlichen Leben falsch, „aus einer Mücke einen Elefantenzu machen und eine gewöhnliche Halsentzündung als Diphtheritis“ zu bezeichnen.

Wenn auch der Vergleich ein wenig hinkt, so ist es zumindest interessant zu lesen, wie man diese Cholera-Epidemie von 1892 (es war wohl aus heutiger Sicht die letzte in Deutschland) beurteilte bzw. ihr begegnete. Sie konzentrierte sich besonders auf Hafenstädte wie Hamburg, weil man natürlich schon damals davon ausging und feststellte: „Wie nicht oft genug wiederholt werden kann, fliegt diese Krankheit nicht durch die Luft, sondern ist an gewisse Stoffe gefesselt, welche man zu berühren vermeiden kann“. Es sei also offenbar zur Kontamination durch Güter und Reisende gekommen. Damals wurde Russland genannt, heute China. Übrigens war zu dieser Zeit der Mediziner Robert Koch der Leiter des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten. Auf seine Anordnung hin wurden z.B. in Hamburg Schulen geschlossen und Versammlungen verboten. Es wurden Desinfektionsanstalten eingerichtet und von einer solchen im Kalender von Berlin berichtet.

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