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Historisches aus der Gleichamberger Glockengeschichte

Erstellt von Kurt Lautensack | | Gleichamberg

In Gleichamberg läuten nach längerer Reparaturpause längst wieder alle Glocken und auch die Kirchturmuhr schlägt wieder im richtigen Zeittakt.

Gleichamberg – Lange Zeit gab die Jubiläumsglocke, die mittlere von drei Glocken, den Ton an, deren Glockenschlag schon seit 100 Jahren vom Kirchturm herab zu hören ist. Doch erst der angenehme Dreiklang machte das Glockengeläut wieder perfekt. Das dieser Dreiklang längere Zeit nicht zu hören war, lag an der Reparaturbedürftigkeit der gesamten Aufhängung der großen Glocke, die deshalb außer Betrieb gesetzt werden musste. Und so lange schlug die Kirchturmuhr auch nicht die volle Stunde, da der Hammerschlag der Uhr mit der großen Glocke gekoppelt ist. Lediglich die kleine Uhrenglocke schlug die Viertelstunden an. Zum sonntäglichen Gottesdienst bzw. anderen Gelegenheiten gaben die mittlere und kleine Kirchturmglocke im Duett den Ton an. Eben bis die große Glocke wieder schwingen konnte.

Aufgenommen werden die Glocken vom Glockenstuhl, einem stabilen und starken Gebälk, das die Schwingungen aufnehmen muss. Dabei stellen die Glocken natürlich auch eine erhebliche Belastung für das Mauerwerk des Kirchturms dar. Schwingend geläutete Glocken benötigen aber eine Drehachse, die durch das sogenannte Glockenjoch gebildet wird, an dem die Glocken hängen. Dieses Glockenjoch aus Stahl hatte einen Riss, der eine Gefahr für das Geläut darstellte und ersetzt werden musste. Die nötige Reparatur übernahm die Firma „Turmuhren & Glocken Steffen Willing“ aus Ohrdruf. Sie arbeiteten das noch vorhandene Joch aus Holz wieder auf und setzten es in den Glockenstuhl ein. Die Kosten dafür beliefen sich nach den Angaben von Kirchenvorstand Arnulf Baumgart auf 5000 Euro. Damit war also der Dreiklang wieder hergestellt.

Auf dem eingesetzten Joch hielt Thomas Franz die Jahreszahl 1847 im Foto fest, die leider nach der Bearbeitung nicht mehr sichtbar war. Das lässt zumindest darauf schließen, dass die jetzige große Glocke ersetzt wurde. Bekanntlich hatte man mit den Kirchenglocken im ersten und zweiten Weltkrieg kein Erbarmen und trat an die Gemeinden mit der Forderung heran, die Glocken fürs Vaterland zu opfern. Wahrscheinlich musste auch die Vorgängerin der mittleren Glocke diesen Weg gehen, so dass 1922 eine neue Glocke angeschafft werden musste. Auch während des zweiten Weltkrieges seien drei Glocken aus dem Kirchturm geholt worden, erinnert sich Ewald Wiener aus Gleichamberg daran. Es seien die kleine Uhrenglocke, die mittlere und die große Glocke gewesen. Dabei scheint die mittlere Glocke Glück gehabt zu haben, weil sie unversehrt wieder ihren Platz einnehmen konnte. Sie diente nach den Worten von Ewald Wiener auch als sogenannte „Feuerglocke“, wenn es gebrannt hatte.

Die Hundertjährige im Kirchturm

Ihre Anschaffungsgeschichte verdankt der Ort einem Schriftverkehr aus dem Jahre 1922 zwischen zwei Glockenfirmen und dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Dömming. Wiederentdeckt wurden die schriftlichen Unterlagen glücklicherweise vor einiger Zeit von seiner Urenkelin Isolde Krämer bei Aufräumungsarbeiten. Aus einem Schriftverkehr mit der Glockengießerei der Gebrüder Klaus aus Heidingsfeld am Main geht hervor, dass die Gemeinde neue Glocken anschaffen wollte.

So heißt es in einem Schreiben vom 15. April 1922 aus Heidingsfeld an den Schultheiß gerichtet, dass sie in den „Besitz des unterzeichneten Vertrages“ gelangten. Allerdings wurde mitgeteilt, dass infolge der „gefallenen Valuta die Metalle mehr und mehr in die Höhe gehen“. Der Preis für ein Kilo Gewicht habe sich auf 146 Mark erhöht. Anscheinend schien die Gemeinde zunächst damit einverstanden zu sein und bestellte zunächst eine Bronzeglocke mit dem Ton c und einem Gewicht von 280 kg. Eine Bestätigung der Firme geht auf den 20. April 1922 zurück mit der gleichzeitig ein Liefervertrag zur Unterschrift zugesandt wurde. Der Preis für eine Glocke belief sich laut Vertrag auf 45330 Mark. Dabei wurde versichert, „die Glocken in bester Glockenbronze (ca. 78 Teile Kupfer und 22 Teile Zinn) zu gießen. Die Lieferzeit war mit 5-6 Monaten angegeben.

Vielleicht fiel damals dem Gemeinderat Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“ ein, in dem es heißt: „Fest gemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden, frisch Gesellen, seid zur Hand…“, so dass man aus Begeisterung noch eine weitere Glocke bestellte. Allerdings bestand man wohl auf einen Festpreis, wie aus der Ergänzung des Vertrages hervorgeht. Im Antwortschreiben aus Heidingsfeld vom 1. Mai 1922 bedankte man sich für die Bestellung „von zwei neuen Bronzeglocken mit den Tönen e und fis“. Dazu die Mitteilung, dass bei der Verwendung des Materials „bei der heutigen wirtschaftlichen Lage, bei der ja niemand weiß, wie es in einem halben Jahr aussieht“. Der Glockengießer müsse also „evtl. höhere Arbeitslöhne, teuer werdende Rohstoffeund erhöhte Herstellungskosten einberechnen“ (welch ein Vergleich zu heute). Der ergänzende Vertrag wurde wohl nicht abgeschickt, wie die Unterlagen beweisen.

Neuer Anlauf zum Glockenkauf

Gleichzeitig bemühte sich der Bürgermeister aber weiter um eine neue Glocke und hatte die „Erz- und Glockengießerei Chr. Störmer“ in Erfurt angeschrieben. Dem folgte ein Schreiben der Erfurter Glockengießerei vom 29. Mai 1922. Darin wird die Herstellung einer Bronzeglocke zum Tagespreis von 135 Mark/kg angeboten. „Da sich die Preise für Kupfer und Zinnoft ändern“, so heißt es auch hier, sei der Preis freibleibend bis zum Vertragsabschluss. Ab dann gelte ein Festpreis, dem bis zur Ablieferung der Glocke „kein höherer Kilopreis zur Berechnung folgt, auch keine Nachforderung“. Seien Armaturen wie Joch, Klöppel oder Eisenbänder der früheren Glocke noch vorhanden, so könnten diese gegen Berechnung geändert werden. Für Inschriften würden pro Buchstabe 1 (eine) Mark berechnet.

Im Schreiben versichert Störmer: „Meine Glocken gieße ich aus bester Glockenbronzemit 78 % Kupfer und 22 % Zinn mit üblicher 5% Toleranz, nach Form und Rippe der großen Glocke „Glöoriosa“ im Dom zu Erfurt, bekanntlich ein Meisterstück der Glockengießerkunst“. Das schien dem „hochwohllöblichen Gemeinderat“ zu gefallen, so dass der Vertrag (ein Original liegt vor) vom 10.Juni 1922 an die Gießerei geschickt wurde. Was wohl auch Bürgermeister und Gemeinderat entgegenkam, war schließlich der Festpreis von 135 Mark pro Kilo, eine Lieferzeit nach Wunsch und eine Drittelung des Preises (Anzahlung, bei Lieferung, Rest 14 Tage nach Lieferung). So wurde eine Glocke mit dem Ton C und einem Gewicht von 250 kg zum Preis von 33750 Mark verbindlich bestellt.

Die mittlere Glocke enthält neben der Jahreszahl 1922 den Namen der Glockenfirma Störmer und die Inschrift: „Zum Andenken an die fürs Vaterland 1914-1918 gefallenen Helden unserer Gemeinde Gleichamberg“. Vielleicht war es ja gerade diese Inschrift, die die Glocke im 2. Weltkrieg vor dem Schmelzofen gerettet hatte. So wird sie wohl auch am Sonntag zur Einweihung der sanierten Denkmalanlage am Fuße des Großen Gleichberges gemeinsam mit ihren Geschwistern läuten. Und was passt da besser als der letzte Vers aus Schillers Glocke, der da heißt: „Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute“.

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