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Einzigartig – der Schöpf- oder Löffelbrunnen von Haina

Erstellt von Kurt Lautensack | | Haina

Es muss immer jemanden geben, der die Geschichte und Geschichten eines Ortes in Wort und Bild festhält bzw. fortschreibt, sonst ginge manches unwiederbringlich verloren.

Haina – Der Ortschronist von Haina, Horst Thein, ist ein solcher jemand, der Unterlagen oder Schriftstücke zur Geschichte von Haina aufbewahrt, recherchiert, ergänzt und neue Geschichte(n) hinzufügt. Dies bekommt vor allem immer dann eine besondere Bedeutung und Aufwertung, wenn ein Ortsjubiläum ansteht, so wie die 1150- Jahrfeier 1989 oder die von 2014 in Haina. Dabei werden besonders „runde Jahreszahlen“ interessant, die an ein besonderes Ereignis erinnern, eine besondere Geschichte in sich bergen oder bestimmte dörfliche Traditionen einen Platz in der Chronik einnehmen. Dazu gehört beispielsweise die Mühlengeschichte von Haina oder die Schank- und Braugeschichte, die beim Ortschronisten Horst Thein fein säuberlich in einem Ordner zusammengefasst ist.

Da beide Beispiele natürlich sehr viel mit Wasser zu tun haben, passt dazu auch die Geschichte vom Trinkbrunnen an der Hainaer Dorfstraße, einem einzigartigen geschützten Kulturdenkmal. Genauer gesagt ist es ein schmuckes aus behauenen Kalksteinen errichtetes Brunnenhaus, bestehend aus einer gemauerten Brunnenstube und einem aufgesetzten Fachwerkbau. Denn Haina kann auf einen außergewöhnlichen Wasserreichtum der Spring mit ihren Zuflüssen, dem Dörflesgraben (auch Augraben genannt), dem Hutschbach, dem Weißbach und der Sulza, verweisen, so dass einst in Haina sogar fünf Mühlen betrieben wurden. Allerdings existiert heute keine mehr.

Schautafel wurde angebracht

Horst Thein hatte sich dieser Brunnengeschichte nochmals angenommen, die nach seinen Angaben einst der ehemalige Lehrer Ernst Weschenfelder festgehalten hatte. Er habe u.a. in Kirchenunterlagen und Kreisarchiven weiter recherchiert, um einige Daten und Fakten zu komplettieren. Denn am Brunnenhaus sind eine Reihe von Inschriften und Zahlen zu sehen, die dem Betrachter wohl sprichwörtlich als „böhmische Dörfer“ vorkommen müssen. Darunter auch Inschriften und Zahlen, die auf das Jahr 1922, als auf eine Zeit vor genau 100 Jahren hinweisen. Diese Inschriften nachvollziehbar und verständlich zu machen, war eine Aufgabe, die sich Horst Thein angenommen hatte. Er entwarf dazu eine Tafel, auf der Zahlen und Inschriften im wahrsten Sinne des Wortes „buchstäblich“ enträtselt wurden. Die am Brunnenhaus vor Ostern angebrachte Tafel gibt nun Aufschluss über seine Erbauer, über die damals tätigen Schultheißen (Bürgermeister) und über das Bauwerk selbst. Gesponsert wurde die Tafel von der Jagd- und der Waldgenossenschaft Haina.

Doch Veränderungen am denkmalgeschützten Gebäude dürfen ohne Zustimmung der Denkmalbehörde nicht ohne weiteres vorgenommen werden. Als ehemalige Mitarbeiterin vom Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Meiningen, war Anita Förtsch vom Osterbrunnen-Team mit den Gepflogenheiten von Antragstellungen vertraut. Sie beantragte im Auftrag des Vereins „Heimatpflege“, der im Dachverband „Heener Vereine e.V.“ integriert ist, bei der Unteren Denkmalschutzbehörde die Erlaubnis zur „Anbringung einer Schautafel am Brunnenhaus“. Da es als Einzeldenkmal unter besonderen staatlichen Schutz steht, bedarf es einer erforderlichen fachlichen Stellungnahme des TLDA (Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie). Diese wurde über das Landratsamt eingeholt und somit die Erlaubnis zum Anbringen der Tafel erteilt.

Fachwerkbau vor 100 Jahren erneuert

Zunächst aber noch etwas zur gesamten Brunnengeschichte. Das Brunnenhäuschen wurde laut der Giebelinschrift im Jahre 1739 errichtet. Ob es bereits einen Vorgängerbau gegeben hat, sei allerdings nicht bekannt, so Thein. Auch sei nicht bekannt, seit wann die Quelle als Brunnen genutzt wurde. Der Brunnen werde aber nicht von den bereits genannten Bächen gespeist, sondern besitze ein so ergiebiges Quellgebiet, so dass der Brunnen zu jeder Jahreszeit, auch in trockneren Jahren Wasser habe. Zum Vorraum der eigentlichen Brunnenstube führen beidseitig sechs Treppenstufen hinab. Im Vorraum kann dann das Schöpfen mittels Schöpfvorrichtung erfolgen.

Seiner Bauart entsprechend handelt es sich bei dem Schöpfbrunnen um einen sogenannten Löffelbrunnen. Die Schöpfvorrichtung bilden zwei eimerähnliche Gefäße, an deren Oberen Ende zwei etwa 1,85 m lange um einen Drehpunkt bewegliche Rohre mit einem Durchmesser von 5 cm das Wasser nach außen führen, um Gefäße zu füllen. Die Brunnenstube selbst war früher mit einer Eisentür und ist heute mit einem Eisengitter fest verschlossen. Das überschüssige Wasser wird am Boden des Vorraumes über eine kurze Leitung unter der Straße hindurch in den kanalisierten Weißbach abgeleitet. Der auf die gemauerte Brunnenstube aufgesetzte Fachwerkbau wurde 1922 komplett erneuert. Geschützt wird der gesamte Bau durch ein Satteldach.

Der Chronist kann sich erinnern, dass er als Kind in den 1950er Jahren und auch noch in den 1960er Jahren dort selbst Wasser geholt habe. Besonders an heißen Sommertagen sei es mit etwas Essig versetzt und mit Zucker gesüßt ein erfrischendes Getränk gewesen. Der Brunnen habe an Bedeutung verloren, so Thein, als Anfang der 1970er Jahre Haina an die Gruppenwasserversorgung Wölfershausen (LK SM) angeschlossen wurde. Um 1980 sei er als Trinkbrunnen gesperrt worden, weil angeblich durch benachbarte Grundstücke Fäkalien in das Erdreich eingesickert seien und das Wasser belastet haben. Allerdings seien auch andere Ursachen vermutet worden.

Doch nie haben die Hainaer ihr Brunnenhaus aus ihrem Blickfeld verloren und ihr inzwischen denkmalgeschütztes Wahrzeichen immer wieder ein farbenfrohes Aussehen verliehen. Da der Wasserreichtum aus dem Quellgebiet nie versiegte, wird auch noch heute Wasser aus dem Brunnen geschöpft, wenn auch nicht als Trinkwasser, obwohl es sehr klar aussieht, sondern zum Tränken von Tieren oder zum Gießen. Den Beweis liefert Renate Hummel, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt und mit ihren 80 Jahren die Schöpftechnik noch beherrscht. Denn wer mit der Mechanik nicht umzugehen weiß, kann schon mal nasse Füße bekommen. Aber auch ihr Sohn Wolfram bedient sich noch täglich, zumindest vom Frühjahr bis zum Herbst, des Brunnenwassers für seine Schafe, erklärt Renate Hummel.

Eine Linde und ein Drillerhäuschen

Durchaus interessant ist in diesem Zusammenhang der dem Brunnen umgebende Platz. Hier habe eine Dorflinde gestanden, die leider im Zuge des Wasserleitungs- und Kanalbaues sowie des anschließenden Straßenbaues weichen musste. Auch gehe aus Aufzeichnungen des Lehrers Adam zur Ortsgeschichte hervor, dass bis 1820 dort ein aus Holzplatten gefertigtes sogenanntes „Drillerhäuschen“ gestanden habe. In dieses Häuschen seien Personen eingesperrt worden, die eine „geringfügige Straftat“ begangen hatten (in der Gemeinde oder möglicherweise bei einem Ehestreit). Sie mussten dort ihre Strafe absitzen und wurden somit öffentlich an den Pranger gestellt: Für die betreffende Person war das natürlich äußerst unangenehm. Das Drillerhäuschen würde wohl heute nicht mehr der Rechtsprechung entsprechen, aber eine neue Linde mit einer Bank wertet den Platz weiter auf. Die Linde sei 2018 von mehreren Anleiegern gemeinsam gepflanzt worden, wusste Anita Förtsch, während die Bank vor zwei Jahren durch die Römhilder Firma „Dach- und Holzbau“ aufgestellt wurde und von weiteren sieben Hainaer Unternehmen und Genossenschaften fianziert wurde.

Erwähnenswert ist noch der in der Giebelseite dargestellte Tannenbaum, der zusammen mit dem Trinkbrunnen das alte Wappen von Haina gewesen sein soll. Zur 1150-Jahrfeier seien dazu verschiedene Andenken angefertigt worden, erklärte Horst Thein. 1993 sei vom damaligen Gemeinderat Haina der Beschluss gefasst worden, so der Ortschronist, das Brunnenhäuschen in Verbindung mit dem Wappen der Herren von Herbilstadt, die über Jahrhunderte ein Wasserschloss, zwei Güter und eine Mühle im Besitz hatten, als Wappen registrieren zu lassen. Mit dem Zusammenschluss zur Stadt Römhild habe das Wappen der Gemeinde nur noch Bedeutung für den Ort und seiner Vereine.

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