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Die Wasserversorgung in Gleichamberg und Linden vor 100 Jahren

Erstellt von Kurt Lautensack | | Gleichamberg

Wieder entdeckte Schriftstücke von vor 100 Jahren gaben den Anstoß, sich an die damaligen Verhältnisse zur Wasserversorgung zu erinnern und an ihren Wert.

Gleichamberg – Wasser ist für Mensch und Natur eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Ressource. Mehr noch, Wasser ist auch das wichtigste Lebensmittel in unserem Alltag überhaupt. Wie wichtig es ist, das merken wir spätestens dann, wenn Hitzewellen und lange Trockenheit, wie es gegenwärtig der Fall ist, zunehmend für eine Wasserknappheit führen. Wenn auch die Wasserversorgung bisher als absolut sicher galt, so gab es in der Vergangenheit hier und da immer mal Engpässe, die sich gerade bei der Wasserführung unserer Flüsse deutlich bemerkbar machen. Nicht umsonst wurde aktuell vom Landkreis eine Wasserentnahme aus den Flüssen verboten.

Doch darum soll es im Beitrag nicht gehen, wenn auch eine Erinnerung an das wertvolle Lebenselixier nicht schadet. Es geht um die Wasserversorgung, wie sie zum Beispiel vor 100 und mehr Jahren die Einwohner von Gleichamberg und Linden sowie die Behörden beschäftigte. Wenn es auch damals weniger um die Wasserknappheit ging, weil die Quellen im Gleichberggebiet reichlich sprudelten, sondern mehr oder weniger um technische Lösungen zum Sammeln, Weiterleiten und Verteilen des Wassers zu den Haushalten. Dazu mussten Quellen gefasst und das Wasser in einem Hochbehälter gesammelt werden.

So heißt es zum Beispiel in der Ortschronik von Linden in „700 Jahre Linden“ von 2015, die sich wiederum auf frühere Aufzeichnungen bezieht: „Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wasserversorgung unerträglich. Der Dorfchronist berichtet, dass Frauen zu jeder Stunde in der Nacht am Leierbrunnen anzutreffen waren, um das tropfenweise herabfallende Wasser für den Morgenkaffee aufzufangen. Selbst Regenwasser wurde zum Kochen, Bier brauen und Waschen verwendet. In der heißen Jahreszeit musste der Bauer mit dem Wasserfass zur Milz fahren und das Vieh tränkte man in den beiden Teichen“ (die es übrigens heute noch gibt). Soweit ein Chronikauszug.

In den 1880er Jahre startete die Elektrifizierung in Deutschland, wenn auch der Strom erst in den 1920er Jahren in die Privathaushalte kam. Aber die Auswirkungen dieser Entwicklung waren deutlich zu spüren, wozu auch die dringend notwendige Wasserversorgung gehörte, um das Wasser mit Hilfe von Pumpen über größere Strecken zu leiten. Das kam auch den Gleichamberger und Lindener Einwohnern zu Gute. So wird bereits in einer kleinen Festschrift zur 675-Jahrfeier von Linden festgehalten, was ein Ortschronist schrieb: „Die voranschreitende Industrialisierung brachte unserem Ort, was einer modernen Zivilisation unabträglich ist, Wasser und Strom. Trotz vieler Einwände wurde im Jahre 1905 die Wasserleitung von Gleichamberg nach Linden gelegt, wo fortan das Gleichberg-Wasser hell und klar sprudelt. Ein Segen für den Ort…“. Denn das Gleichberggebiet ist reich an Quellen. Die strahlenförmig abfließenden Wasser sammeln sich in Quellmulden und speisen verschiedene Brunnen.

Am Ortsrand von Gleichamberg, am Fuße des Großen Gleichbergs in Richtung Denkmal, deutet die Jahreszahl 1905 an Brunnenhaus des ersten Hochbehälters noch heute auf den Bau hin. Über diesen Hochbehälter wurde das Wasser gefasst, das also nicht nur Gleichamberg, sondern auch Linden mit Wasser versorgte. Dabei sei noch vermerkt, das die Wasserleitung nach Linden „handgeschachtet“ gebaut wurde. Doch die Entwicklung schritt voran und so reichte auch das Wasser für Linden bald nicht mehr aus. Eine Lösung musste also her.

In dieser Situation kommt nun ein Schriftverkehr zwischen dem Landrat von Hildburghausen und dem Gemeindevorstand Gleichamberg aus den Jahren 1921 und 1922 ins Spiel. Diese Unterlagen entdeckte Isolde Krämer bei häuslichen Aufräumungsarbeiten. Sie stammen noch von ihrem Urgroßvater Wilhelm Dömming, dem damaligen Bürgermeister von Gleichamberg. In Gesprächen mit Ewald Schmidt, dem sie die Unterlagen übergeben hatte und dem ältesten Bürger des Ortes, dem 97-jährigen Armin Schmidt (Maschine-Wirt), konnte manches Geschriebene noch ergänzt und aufgearbeitet werden.

In einem ersten Schriftstück vom 23. September 1921 zur Situation der Wasserversorgung handelt es sich um ein Protokoll zur „Besichtigung von Quelle, Hochbehälter und Umgebung“. Daran nahmen teil, Oberbaurat Eduard Fritze aus Meiningen, der Straßenbauverwalter Möhring aus Themar, die Gemeindevorstände von Linden und Gleichamberg sowie Landrat Dr. Thein vom „Thüringischen Landratsamt Hildburghausen“. In der nachrichtlichen Abschrift wurde festgelegt: 1. Die Brunnen in Gleichamberg müssen sofort abgestellt werden. 2. Jede Wasserverschwendung in Gleichamberg ist unter Strafe zu stellen, auch die verbotswidrige Öffnung der Brunnen. 3. Der Gemeindevorstand von Gleichamberg wird zeitweise nächtlich die Gleichamberger Zuleitung abstellen, damit Wasser in den Lindener Behälter fließt. Im Weiteren geht es um die Wasserteilung zwischen beiden Gemeinden, die nach Ansicht des Oberbaurates technisch möglich sei. Linden soll ein Viertel und Gleichamberg drei Vierten der Wassermenge erhalten. Die Teilung soll im Behälter durchgeführt werden.

Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass in der Schäfersgasse die Aufstellung von zwei Hydranten nötig sei, um die Brandbekämpfung über deren Wasserentnahme schneller vornehmen zu können. Die dafür veranschlagten Kosten von 26890 Mark könnten minimiert werden, wenn die Hydranten an die Wasserleitung nach Linden angeschlossen würden, die durch die Schäfersgasse führt. Wahrscheinlich um der gesamten Problematik Nachdruck zu verleihen, erging am 24. September 2021, also nur einen Tag später, ein weiteres Schreiben des Landrates, in dem er darauf hinwies, dass die Punkte 1 bis 3 sofort in Angriff zu nehmen sind, sobald vom Straßenbauverwalter Möhring der Bericht zur „Ergiebigkeit der beiden Quellen links vom Kriegerdenkmal“ vorliegt.

Damit hatte Gleichamberg nun zwei Probleme zu lösen, die Verbesserung der Wasserversorgung für Linden und die Errichtung von Hydranten. So fand am 14. Februar 1922 eine gemeinschaftliche Gemeinderatssitzung in Gleichamberg statt, in der die Lindener den Bau eines großen Hochbehälters vorschlugen. Das passte wiederum Gleichamberg wegen der Kosten nicht. Denn der Landrat schrieb am 17. Februar, dass die Sitzung „denkbar unbefriedigend“ verlief, weil der Gemeinderat „wenig Verständnis für die Not von Linden“ gezeigt habe. Er hoffe aber, dass sie sich eines Besseren besinnen und den Plan zum Bau weiter verfolgen. Deshalb habe er Amtstechniker Möhring gebeten, dabei zur Hand zu gehen. Dass die Amtswege früher nicht so lang waren und manches zügig erledigt wurde, mögen die verschiedenen Schreiben und Handlungen belegen. Den bereits am 20. März 1922 lag die Zeichnung zum Bau des 100 m³ großen Hochbehälters aus Eisenbeton beim Landrat. Die Kosten „einschließlich Lieferung der Schieber und Rohre, der Herstellung des Einlaufs und der Verbindung mit der Ortsleitung“ wurden mit rund 75000 Mark angegeben.

Damit es sich die Gleichamberger nicht anders überlegten, da sie immer noch zögerten, hat der Landrat noch ein weiteres Schreiben an die Gemeinde gerichtet. Darin verweist er auf den Bericht des Sachverständigen, dem Landesbrandmeister aus Meiningen, das in der Schäfersgasse die Brandbekämpfung nicht ausreichend sei und er zwei Hydranten fordere. Außerdem verwies er auf das Meininger Landesgesetz zum Feuerlöschwesen von 1879. Gleichzeitig wurde noch die Aufstellung eines Oberflurhydranten in der Straße nach Gleicherwiesen angemahnt. Diese Verfügung ließ wohl kaum eine Ausweichmöglichkeit, wenn auch eine Widerspruchsfrist von zwei Wochen eingeräumt wurde. Eine Umsetzung der Anweisung erwarte man bis zum 15. September 1922. Und da die bisherige Wasserversorgung vom ersten Hochbehälter jetzt schon nicht ausreichte, war der Bau eines neuen größeren Hochbehälters vor 100 Jahren besiegelt.

Im Jahr 1976 wurde Linden an die Fernwasserleitung angeschlossen. Die Hochbehälter von Gleichamberg und Linden sind in die Verantwortung des Wasser- und Abwasserverbandes Hildburghausen (WAVH) übergegangen. Indessen sprudelt das Quellwasser am Gleichberg weiter und der Hochbehälter dient als Löschwasser-Entnahmestelle. Der Überlauf speist noch heute den Brunnen auf dem Dorfplatz, aus dem die Friedhofsbesucher ihr Wasser entnehmen.

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