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Die Steinsburg im Spiegel der Archäologen

Erstellt von Kurt Lautensack | | WaldhausRömhild

Nach Corona bedingter Pause fand die diesjährige Frühjahrstagung der „Gemeinde der Steinsburgfreunde e.V.“ eine starke Beachtung bei einem äußerst interessierten Publikum.

Römhild – Der Grund für dieses Interesse, ca. 60 Anmeldungen wurden im Vorfeld registriert, war sowohl inhaltlicher als auch personeller Art. Denn mit Reinhard Spehr aus Dresden, Hauptreferent der Tagung, und Sven Ostritz, Präsident des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) Weimar, waren zwei diplomierte archäologische Prähistoriker die Gäste. So konnten neben den beiden Fachexperten durch Vereinsvorsitzenden Horst Worliczek und Mathias Seidel, Leiter des Steinsburgmuseums Römhild, in den Räumen der „Raiffeisenbank im Grabfeld eG“ in Römhild nicht nur Vereinsmitglieder, sondern Museumsleiter, Ortschronisten, ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger und viele Geschichts- und Heimatinteressierte begrüßt werden. Eine besondere Note bekam diese Frühjahrs-Matinée durch die musikalische Begleitung der Schülerinnen und Schüler Maja Gottschalk (Klavier), Sophia Gottwald (Querflöte), Philipp Gottwald (Gitarre) und Musiklehrerin Cornelia Kolk (Querflöte) von der Kreismusikschule Carl-Maria von Weber, Hildburghausen.

Die Tagung stand unter dem Thema Forschungsergebnisse zu Waffen, Werkzeuge und Geräte der Laténezeit und des Mittelalters vom Kleinen Gleichberg. Zur Einführung dieser Buchpräsentation von Reinhard Spehr, eine Neuauflage aus dem Jahr 2021, gab es eine längere Vorgeschichte, die TLDA-Präsident Sven Ostritz übernahm. Die Entstehung dieses Werkes habe in Dresden bereits in den 1960er Jahren seien Anfang genommen, dabei ging er auf die besonderen Umstände und auf persönliche Begegnungen ein, die zu diesem Werk führten. Die Hauptperson war natürlich Prähistoriker Reinhard Spehr, der dann in unterhaltsamer Weise die Entstehungsgeschichte aus seiner Sicht präsentierte. In der Produktbeschreibung zum Band 3 der Sonderveröffentlichung durch das TLDA heißt es dazu: „Die Steinsburg ist eines der bedeutendsten Bodendenkmale Thüringens und wurde über viele Jahrhunderte intensiv genutzt. Dieser Band legt Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung zu dort gefundenen Waffen, Werkzeuge und Geräten aus Eisen und Buntmetall von der Eisenzeit bis in die Neuzeit vor, die für die Rekonstruktion der Geschichte eine ebenso große Rolle spielen, wie die Kunstobjekte und Verteidigungsanlagen“.

Wer jedoch lange Auszüge aus dem mit 254 Seiten mit 60 Tafeln umfassenden Buch erwartete, musste seine Erwartungen korrigieren. Vielmehr sagte der gut aufgelegte 83-jährige Reinhard Spehr „Ich will locker berichten über meine Heirat mit den beiden Bergen“. Und so sei er als „DDR sozialisierter Student“ bei einer Exkursion als Schüler von Uni-Prof. Gotthard Neumann (Jena) 1959 erstmal mit dem Thema konfrontiert worden. Neumann habe gemeint, da seine Eltern Bauern seien, passe das Thema seiner Dissertation ganz gut dazu. Bereits während seines Studiums habe er 1961 begonnen, Waffen aufzunehmen bzw. zu katalogisieren.

Seit 1963 sei er jährlich für zwei Wochen in Römhild gewesen (es sei sein Urlaub gewesen), um sich dem Thema zu widmen, das ihn auch nach dem Studium nicht mehr los ließ. Unterstützt wurde er bei seiner Tätigkeit vor Ort von Peter Donat, Bernd Bahn und Gert Stoi sei leiteten zwischen 1958 und 1994 das Steinsburgmuseum am Waldhaus. So sei es „zu einer ganz bunten Hochzeit mit den Gleichbergen“ gekommen. Mit der Bahn gekommen (Römhild erreichte man zu der Zeit noch mit der Bahn), sei er oft mit dem Fahrrad oder einem Moped unterwegs gewesen, denn einen Führerschein, merkte er scherzhaft an, habe er nie gemacht. Nach und nach hatte er sämtliche Funde aufgenommen.

Ab 1966 sei es an der Zeit gewesen, metallographische Untersuchungen anzustellen. Er habe Funde (Eisengegenstände) selbst zersägt (eigentlich nicht erlaubt) und teilweise in Freiberg untersuchen lassen. Aber er war auch ständig auf der Suche nach weiteren Funden bzw. Zeugnissen von der Steinsburg und so versandte er mehrere an Museen, Landesämter und andere Einrichtungen, mit der Bitte, ob sie helfen könnten. Dabei zitierte er mehr oder weniger erfolgreich Antworten u.a. von der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg, vom Magistrat der Stadt Fulda (1975) vom Museum für Ur- und Frühgeschichte in Berlin. Hier wurde ihm als Doktorand seines Faches Einblick in den Museumsbestand gewährt, mit dem Hinweis, es nicht weiterzusagen. Andere Schreiben seien nach Coburg, Manching, Erfurt, Eisenach, Sonneberg oder Arnstadt gegangen. Außerdem nahm er an einem archäologischen Kongress 1966 in Prag teil, wo er mit westdeutschen Archäologen bekannt gemacht wurde. Er war auf Dienstreisen zu Vorträgen über die Steinsburg unterwegs in Nord- und Südfrankreich, in der Ukraine und in Rumänien oder Moldau. So sei Römhild also „keineswegs ein Nest hinter böhmischen Wäldern“ und in der Welt bekannt.

Eine weitere Schrift ist die „Archäologische Topographie der Steinsburg bei Römhild“, 2. Auflage 2020, herausgegeben von Sven Ostritz, TLDA in Zusammenarbeit mit der Gemeinde der Steinsburgfreunde. Unter der Archäologischen Topographie ist, vereinfacht ausgedrückt, eine Bodenbegehung des Gebietes und dessen Kartierung zu verstehen. Bei einer solchen Geländeerkundung werden Erdoberflächen nach archäologischen Funden abgesucht (z.B. mit Metalldetektoren, inzwischen auch mit GPS) und erfasst, um einen Überblick über die Besiedlungsgeschichte zu erhalten. Die Steinsburg mit ihrem Gipfelplateau (auch Akropolis genannt) zeichnet sich durch eine Fülle archäologischer Funde aus. Neben bronzenen und eisernen Waffen mit einer Fülle von Speerspitzen, sind Eisengeräte und Keramik belegt. Gefunden wurden Schnitzmesser, Drechseleisen, Ziehklingen oder eine Vielzahl von Stiellochäxten, die der vorrömischen Eisenzeit (Laténezeit 450 bis 0 v.Chr.) zugeordnet werden können. Die Herstellung von Eisengeräten und Keramik vor Ort ist nachgewiesen. Besondere Funde stellen beispielsweise die Fibeln am Kleinen Gleichberg dar, die als ein Spiegel der Besiedlung des Berges angesehen werden können. Solche im Boden verborgene Zeugnisse der Kulturgeschichte, das können Überreste von Siedlungen, von Befestigungsanlage, von Produktions- oder Kultstätten oder auch Verkehrswege sein, gelten als Bodendenkmal.

Im zweiten Teil der Frühjahrs-Matinée stellte Mathias Seidel noch einige weitere Sonderveröffentlichungen vor. Dabei merkte er nicht ohne Freude an, dass es durchaus ungewöhnlich sei, dass innerhalb von anderthalb Jahren gleich drei dieser Sonderveröffentlichungen des TLDA erschienen seien. Während der Band 1 „Die Grafschaft Henneberg und ihre Klöster“ 2019 erschien, der eine Tagung Im Prämonstratenserinnenkloster Trostadt im April 2018 vorausgegangen war und das Frauenkloster im Fokus stand, erschienen die anderen 2021. Neben dem genannten Band 3 von Reinhard Spehr, stellte Seidel den Band 2 von Ulrike Trenkmann „Thüringen im Merowingerreich“ bei dem es um die chronologischen und kulturgeschichtliche Aussagekraft von Gräberfeldern des 6.–8. Jahrhunderts geht sowie Band 4 von Ines Spazier und Uwe Petzold „Der mittelalterliche Markt und Friedhof von Schmalkalden/Südthüringen“ vor. Am Literaturstand wurden eine Vielzahl von Publikationen zum Kauf angeboten.

Ein besonderer Dank galt nicht zuletzt den Frauen der Steinsburgfreunde, die alle Teilnehmer mit Kaffee und anderen Getränken versorgten und dazu ein überaus tolles Büfett auf die Tabletts zauberten.

 

Zur Person Reinhard Spehr:

Reinhard Spehr, geb. 19.09.1938 in Lossow bei Landsberg an der Warthe (heute Polen), wohnhaft in Dresden, Schulausbildung in Dresden, Abitur 1957 in Jena. Er studierte Prähistorische Archäologie und Kunstgeschichte an der Universität in Jena von 1958 bis 1962. War Schüler von Prof. Gotthard Neumann (1902 – 1972, Prähistoriker mit Lehrstuhl in Jena, langjährige Betreuung des Steinsburgmuseums Römhild nach dem Tod von Prof. Alfred Götze 1948, Koordinator der Gleichbergforschung).

Von 1962 bis 2003 war Reinhard Spehr als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent für das Landesmuseum für Vorgeschichte bzw. das Sächsische Landesamt für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen (Schriftenreihe, Bücher, Publikationen, Sonderhefte) wie „Die eiszeitlichen Waffen vom Kleinen Gleichberg“, „Die Archäologische Topographie der Steinsburg bei Römhild“ oder „Dresden: Stadtgründung im Dunkeln der Geschichte“ u.v.a.m.

In Anerkennung seiner Leistungen um die Erforschung der Steinsburg und ihrer Kulturgeschichte wurde Reinhard Spehr als Ehrenmitglied der Gemeinde der Steinsburgfreunde aufgenommen. Gleichzeitig wurde er mit der Steinsburgfibel geehrt, der höchsten Auszeichnung des Vereins.

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